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Axel Bojanowski
Hochwasser und Klimawandel – trockene Einsichten
Zentrale Erkenntnisse, die Medien nicht erwähnen
Axel Bojanowski Sept. 22
Die globale Erwärmung ist ein heikles Thema, die Fronten sind scharf: Wer den Klimawandel nicht im Sinne der Gruppenidentität interpretiert, wird als Bedrohung wahrgenommen für das eigene Milieu, das Getreuen Schutz bietet.
Ich habe neulich gelesen, dass im alten Griechenland Überläufer “automoloi” hießen, also “Leute, die sich selbst bewegen”. Ein treffender Ausdruck für jene, die in der Klimadebatte statt Bekenntnisse abzulegen wissenschaftliche Erkenntnisse zitieren, die nun mal selten das Zeug zur Eindeutigkeit haben.
Die Berichterstattung zum Hochwasser in dieser Woche verdeutlicht das Problem. Im Bestreben, möglichst deutlich die Bedeutung des Klimawandels hervorzuheben ließen Journalisten ausführlich jene paar Klimaforscher zu Wort kommen, die sich wie gewünscht mit Verve appelativ äußern.
Beide Seiten profitieren: Die Journalisten können Beiträge vorweisen, mit denen sie ihren Berufskollegen Einvernehmen signalisieren. Die Wissenschaftler erlangen Medienprominenz und damit Einfluss und Anerkennung. Ein Kollege spricht lakonisch von “Zitat-Zapfsäulen”
.Was erfahren Mediennutzer zum Thema “Hochwasser und Klimawandel”?Im Wesentlichen Folgendes: Die globale Erwärmung treibt den Wasserkreislauf an, deshalb wird sie mehr Regen bringen, was Studien tatsächlich bereits für manche Regionen zeigen – die Hochwasser durch starke Niederschläge seien deshalb eine Folge des Klimawandels.
Im Wesentlichen Folgendes: Die globale Erwärmung treibt den Wasserkreislauf an, deshalb wird sie mehr Regen bringen, was Studien tatsächlich bereits für manche Regionen zeigen – die Hochwasser durch starke Niederschläge seien deshalb eine Folge des Klimawandels.
Hochwasser und Niederschlag
Was jedoch meist verschwiegen wird: Die Niederschlagsentwicklung ist nur einer von zahlreichen Faktoren bei Hochwasser, wie der UN-Klimareport und andere Studien dokumentieren.
Auf Seite 1569 seines aktuellen Sachstandreports schreibt der UN-Klimarat IPCC, dass aus Veränderungen von Niederschlag nicht auf die Entwicklung von Hochwasser geschlossen werden darf:
“Attributing changes in heavy precipitation to anthropogenic activities (Section 11.4.4) cannot be readily translated to attributing changes in floods to human activities, because precipitation is only one of the multiple factors, albeit an important one, that affect floods.”
Der UN-Klimabericht sieht keinen Trend bei Hochwasser und kann einen Einfluss der menschengemachten Erwärmung nicht erkennen (Seite 1569):
“In summary there is low confidence in the human influence on the changes in high river flows on the global scale. In general, there is low confidence in attributing changes in the probability or magnitude of flood events to human influence because of a limited number of studies, differences in the results of these studies and large modelling uncertainties.”
Klimaaktivisten, die dennoch in dem IPCC-Bericht nach Belegen für ihre Thesen suchten, stießen auf die Feststellung, dass die Erwärmung für stärkere “pluviale Überflutungen” sorgen würde (Seite 1518). Doch “pluvial floods” sind kleinräumige Überflutungen bei Starkregen, fernab von Gewässern, nicht über die Ufer tretenden Flüsse (“fluvial floods”)
.„Wenn die Niederschlagsextreme zunehmen, warum dann nicht Überschwemmungen?“, fragen Forscher im Fachblatt „Water Ressources Research“. Ihre Antwort: Zahlreiche Faktoren bestimmten die Pegelstände: Neben der Bodenversiegelung, Flussbegradigungen oder Änderungen der Schneebedeckung ist es vor allem die Besiedelung der Ufer.
Wie haben sich Hochwasser entwickelt?
Zugrunde liegt der „expandierende Bullaugen-Effekt“, der beschreibt, dass ausdehnende Ortschaften das Hochwasser-Risiko erhöhen. Je größer die Siedlung, desto mehr Häuser und Infrastruktur liegen in potentiellen Überschwemmungsgebieten:
Trotz des expandierenden Bullaugen-Effekts zeigen Satellitendaten global keine Zunahme der Überschwemmungsgebiete, eher im Gegenteil (blau). Auch die Bevölkerung, die Überschwemmungsgefahr ausgesetzt war, hat nicht zugenommen (rot). Ausreichenden Satellitenabdeckung gibt es seit 2000:
Moderne Technologie und Warnsysteme schützen Siedlungen besser als früher, auch in armen Ländern. Sowohl die globalen Todesopfer bei Überschwemmungen als auch die globalen Überschwemmungsschäden als Bruchteil der Wirtschaftskraft, sind zurückgegangen:
Die Entwicklung in Europa verlief ebenfalls positiv, die Zahl der Todesopfer bei Hochwasser ist deutlich rückläufig:
Die Zahl der Hochwasser in Mitteleuropa zeigt keinen langfristigen Trend:
Die mittlere Abflusshöhe an 76 Pegeln, die über die Flussgebiete Deutschlands verteilt sind, zeigt deutliche Schwankungen. “Die Abflusshöhe im hydrologischen Winterhalbjahr ist seit 1961 leicht, wenn auch nicht signifikant gesunken”, schreibt das Umweltbundesamt. “Im Sommerhalbjahr ist der Rückgang der mittleren Abflusshöhe hingegen signifikant und deutet auf eine Veränderung der sommerlichen Wasserverfügbarkeit hin”.
Die Daten des Umweltbundesamts zeigen keine Zunahme von Hochwassertagen im Bundesgebiet:
Die globale Erwärmung, so viel scheint gesichert, bringt mehr Niederschlag – warme Luft kann mehr Feuchtigkeit halten. Für Mitteleuropa deuteten Studien laut UN-Klimabericht bereits auf eine Zunahme von Starkregen hin, allerdings wurde der Schlussfolgerung nur „mittelmäßige Gewissheit“ zugeschrieben.
Der Deutsche Wetterdienst sieht noch keine gesicherte Tendenz für mehr Starkniederschlag hierzulande: Die Statistik über die vergangenen Jahrzehnte zeigt keinen Trend bei Tagen mit Extremmengen an Niederschlag.
Stundengenaue Auflösung gibt es erst seit 2001, deshalb lässt sich für die Schauer noch kein klimarelevanter Trend feststellen. Seit 2001 scheint die Zahl kurzzeitiger Starkregen-Ereignisse zugenommen zu haben.
Kein Zweifel hingegen besteht darüber, dass in Deutschland insgesamt mehr Regen fällt. Bei starken Schwankungen von Jahr zu Jahr hat die deutschlandweite jährliche Niederschlagshöhe seit 1881 eindeutig zugenommen.
Der Kurzschluss, vom Niederschlag auf Hochwasser zu schließen, ist charakteristisch für die Klimadebatte: Überbetonung des Klimawandels bei Naturkatastrophen kritisieren die Umweltforscher Myanna Lahsen und Jesse Ribot im Fachblatt „WIREs Climate Change“:
- Der Wunsch, die Öffentlichkeit durch Zuschreibungen von Klimaereignissen von den Gefahren des Klimawandels zu überzeugen, verleite Wissenschaftler und Medien, extreme Ereignisse der globalen Erwärmung zuzuschreiben, resümierten sie. Dabei hätten Wetterkatastrophen immer mehrere Ursachen.
- Der Klimawandel sei „ein großes Problem für die Menschheit“, ihn einzudämmen sei „unerlässlich“.
- Doch es bestehe ein Dilemma: Die Klimawandel-Zuschreibung würde die Bedeutung der Treibhausgas-Reduzierung ins Zentrum rücken, während die effektivsten Ansätze zur Verringerung des Risikos von Wettergefahren Anpassungsmaßnahmen vor Ort seien.
- „Klimazentriertes Katastrophen-Framing ist politisch nützlich für Akteure, die daran interessiert sind, die Aufmerksamkeit von lokalen, nationalen und internationalen politischen Initiativen abzulenken, die direktere und lokal relevante Abhilfemaßnahmen bringen könnten – oder hätten bringen können”, schreiben Lahsen und Ribot.
Axel Bojanowski
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In meinem neuen Buch erzähle ich von der Politisierung der Klimadebatte: