Kritische Stimmen zum Klimaschutzurteil

Bundesverfassungs-Gericht: Grundrechte jetzt nur noch unter Klima-Vorbehalt

von Dirk Maxeiner am 29.04.2021 auf der Achse des Guten / achgut.com

Auszug / Quelle

https://www.achgut.com/artikel/bundesverfassungsgericht_grundrechte_jetzt_nur_noch_unter_klima_vorbehalt

„In der Pressemitteilung wird aus dem Urteil wie folgt zitiert: „Künftig können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein; gerade deshalb droht dann die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen.“ Dies lässt nun wirklich nichts Gutes ahnen. „Gravierendes“ sind keine Petitessen oder Lästigkeiten, sondern Robustes, Manifestes: Ausgangssperren, Reiseuntersagungen, Betätigungsverbote, Eigentumsentziehungen. Es geht also um das volle Programm dessen, was wir derzeit unter dem Corona-Regime erleben. Soll der sofortige Grundrechtsentzug jetzt zur Rettung des Weltklimas und einer vermuteten Temperaturentwicklung in 100 Jahren fortgeschrieben werden?Insofern wären die Verfassungsbeschwerden zur Corona-Politik bereits obsolet. Mit diesem Urteil lässt sich ab Herbst strikt grün durchregieren. Nach dem Vierten Bevölkerungsschutzgesetz (mit seinem Automatismus zwischen amtlich festgestellter Inzidenz und Menschenrechtsverkürzungen) soll nun offenbar bei der Rettung des Weltklimas analog vorgegangen werden. Zeitpunkt und Art dieses Urteils dürften politisch hochwillkommen sein (Peter Altmaier, als Mitglied der Bundesregierung der eigentlich Beklagte, hat sich auch schon euphorisch über seine „epochale“ Niederlage gefreut).Der Orwellsche Gedanke, Freiheiten abzuschaffen, um die Freiheit zu schützen, findet auch beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder („Die Maske ist ein Instrument der Freiheit“) begeisterte Zustimmung. Er nannte das Klima-Urteil „wuchtig, aber richtig“. Es müsse von allen als positive Chance verstanden werden. Noch nie habe ein Gericht in einer solchen Art und Weise einen Generationenvertrag eingefordert. „Das muss man jetzt umsetzen in positive Energie“, verlangte Söder. Man dürfe sich nicht wegducken, sondern müsse „jetzt anpacken“. Generationengerechtigkeit als eine Frage der Freiheit kommender Generationen“ zu sehen, sei „epochal und wegweisend!“, dichtete sein getreuer Generalsekretär Blume.Dazu noch einmal ein Zitat aus der Presserklärung des Bundesverfassungsgerichtes: […]„Die angegriffenen Regelungen entfalten eingriffsähnliche Vorwirkung auf die durch das Grundgesetz umfassend geschützte Freiheit. Die Möglichkeiten, von dieser Freiheit in einer Weise Gebrauch zu machen, die direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden ist, stoßen an verfassungsrechtliche Grenzen, weil CO2-Emissionen nach derzeitigem Stand weitestgehend irreversibel zur Erwärmung der Erde beitragen, der Gesetzgeber einen ad infinitum fortschreitenden Klimawandel aber von Verfassungs wegen nicht tatenlos hinnehmen darf.“In einfacher Sprache: Ein wie auch immer gearteter „Klimawandel“ (hat sich das Klima jemals nicht gewandelt?) wird als Begründung ausreichen, Freiheiten einzuschränken, „die direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden sind“. Dazu sei gesagt: Das gesamte Leben auf der Erde ist direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden.“

[…]

„Es findet damit gleichzeitig eine Entmündigung und eine Anmaßung statt. Entmündigt wird die heutige Generation, denn ihr wird eine eigene Entscheidung, ihr Leben selbstverantwortlich zu führen, abgenommen. Zweitens maßt sich derjenige, der im angeblichen Interesse künftiger Generationen Forderungen erhebt, an, für eben jene Generationen sprechen zu können. Implizit treibt dieses Urteil auch einen Keil zwischen die ältere Generation, die sich als Kohlenstoff-Frevler schuldig gemacht hat, und diejenigen der  jüngeren Generation, die den Verzicht auf den Schulunterricht als Methode zur Rettung des Klimas entdeckt haben. Paradoxer geht es nicht. Gerade die Sorge um das zarte Pflänzchen der Freiheit ist die beste Voraussetzung dafür, dass zukünftige Generationen in Freiheit und Wohlstand leben können. Es ist der inzwischen berühmte Konflikt zwischen denen, die Angst vor dem Ende der Welt haben, und jenen, die Angst vor dem Ende des Monats haben. Vor diesem Hintergrund ist das Prinzip der Freiheit der beste Garant für eine im Wortsinne nachhaltige, klimaschonende, erfinderische und kreative Gesellschaft und Entwicklung. Das Bundesverfassungsgericht scheint dieser Garant nicht mehr zu sein.“

Unbedingt alles lesen und achgut fördern!!!


NZZ

Deutschlands Klimaschutz wird zum Diktat der Verfassungsrichter

Das Bundesverfassungsgericht weitet die im Grundgesetz geforderte Verantwortung für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu konkreten, einschneidenden Massnahmen des Klimaschutzes aus. Die weltweiten Dimensionen der Klimaerwärmung blenden Deutschlands höchste Richter aus.

Einige Zitate aus dem Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung von Peter Rásonyi

 Explizit statuiert das Gericht einen grundgesetzlichen Auftrag des Staates, das im Pariser Klimavertrag von 2015 formulierte Ziel umzusetzen, die langfristige Erwärmung des Weltklimas deutlich unter 2 Grad zu halten.[…]Dabei akzeptiert das Gericht, dass die zu diesem Zweck beschlossenen Massnahmen so einschneidend sein können, dass «dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist». Das ist für die Richter nicht nur in Ordnung, es ist geradezu die Pflicht des Staates, solch extreme Massnahmen zu erlassen. Dies leiten sie aus den bekannten wissenschaftlichen Studien ab, welche den in diesem Jahrhundert weltweit noch maximal zulässigen Ausstoss an Treibhausgasen schätzen, der gerade noch mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist. Ab Beginn des nächsten Jahrzehnts blieben Deutschland, so stellen die Richter lapidar fest, nach diesen Berechnungen nur noch derart geringe Emissionsmengen zur Verfügung, dass dann «nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens (. . .) von drastischen Einschränkungen bedroht sind».
[…]
Fragwürdige Wissensanmassung der Richter

Das ist aus drei Gründen fragwürdig. Erstens greifen die Richter mit diesen Anordnungen unbotmässig in die Gestaltungsrechte künftiger Parlamentarier und Regierungen ein.
[…]

Zweitens übersieht das Gericht, dass die vom deutschen Klimaschutzgesetz von 2019 genannten und nun bemängelten Massnahmen ohnehin nicht geeignet sind, den vom Grundgesetz geforderten «Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen» zu garantieren.
[…]
Drittens erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Richter extreme Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger zum Schutz des Klimas in den nächsten Jahrzehnten vorausschauend annehmen. Diese Gewichtungen und Entscheidungen müssen in einer Demokratie zu jeder Zeit den Bürgern bzw. den von ihnen gewählten Abgeordneten überlassen werden, nicht einigen Verfassungsrichtern, die dann voraussichtlich gar nicht mehr im Amt sind.

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NZZ kurz und knapp zum Urteil:

Mit Dank an Tilo!!


Kein Klima-Supermann

Kommentar in der FAZ von Christian Geinitz

Es hätte schlimmer kommen können für die Regierung – und besser für die Umwelt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz von 2019 ist mitnichten jene schallende Ohrfeige, die Opposition und Umweltverbände darin sehen. Anders als von den Klägern argumentiert, sieht das Gericht keine Verstöße gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Auch stellt es weder die Klimaziele in Frage noch den Weg dorthin mit den einzelnen Sektorvorgaben. Es geht lediglich darum, alle Gehwegplatten auf diesem Pfad bis zum Ende hin zu verlegen. Bisher reichen sie nur bis 2030.

Das erste Klima-Urteil der höchsten Richter sorgt für viel Aufregung. Die Energiewende verspricht ein wichtiges Wahlkampfthema zu werden, weshalb jede Partei den Karlsruher Spruch für sich vereinnahmt. SPD und Union hauen aufeinander ein, versprechen aber schnelle Änderungen, obgleich das Gericht ihnen bis Ende 2022 Zeit gibt. Bis dahin hat Deutschland längst eine neue Regierung, welche die Klimaregelungen vermutlich ohnehin noch einmal aufschnüren wird. Zumal dann, wenn die Grünen mitregieren.

Eine ganz andere Frage lautet: Wie sinnvoll ist es, jetzt schon festzuschreiben, wie viel CO2 im Jahr 2037 oder 2049 in Gebäuden, im Verkehr, in der Stromerzeugung, in der Industrie eingespart werden muss? Für Wirtschaft und Verbraucher sind das keine guten Nachrichten, sie werden jetzt noch mehr gegängelt werden. Auch der Nutzen für das Klima ist zweifelhaft, denn niemand weiß, welche Techniken und Minderungspotentiale in Zukunft die größten Effekte versprechen. Intelligenter als starre Sektorvorgaben und auch viel wirksamer für den Klimaschutz sind flexible, marktnahe Instrumente. Das zeigt der Emissionshandel, der sich als das wirksamste Instrument zur Dekarbonisierung erwiesen hat.

Hinzu kommt, dass das Gericht fälschlich nahelegt, Deutschland könnte von sich aus die Erderwärmung aufhalten. Dieser unilaterale Ansatz könnte zu Verlagerungen führen und die Position in internationalen Verhandlungen schwächen, etwa gegenüber anderen großen Verschmutzern wie China oder Amerika. Viel effektiver, als allein vorzupreschen ist es, international zu kooperieren. Deutschland ist kein Klima-Supermann, der die Welt retten könnte

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