Lobbyarbeit juristischer Vertreter zum Thema Tötungsverbot

Eingreifversuch über die EU-Präsidentin in die Gesetzgebung, zum Zweck der Anpassung der europäischen Vogelschutzrichtlinie

In Ergänzung zu den illegalen Tötungen:

Windkraft-Lobby fordert Aufweichung des Tötungsverbotes für mehr legale Tötungen

Aus dem Newsletter der Anwaltskanzlei Maslaton vom 13.02.2020

VG Gießen stellt Ausnahme vom Tötungsverbot nach § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 BNatSchG in Frage

Ausschnitte aus dem Newsletter:

„Laut einer Pressemitteilung des Rechtsportals Juris vom 11.02.2020 hat sich das VG Gießen mit Entscheidung vom 22.01.2020 (Az.: 1 K 6019/18.Gl) zur Ausnahme im besonderen Artenschutzrecht gemäß § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 BNatSchG geäußert. Eine bereits erteilte Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei geplanten Windenergieanlagen in Butzbach, Gemarkung Hoch-Weisel und Münster, wurde von einer klagebefugten anerkannten Umweltvereinigung beklagt. Das VG Gießen hat die Genehmigung aufgrund eines artenschutzrechtlichen Verstoßes aufgehoben. Das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei in Bezug auf die Arten Wespen- und Mäusebussard verletzt. In der Pressemitteilung heißt es, dass ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für die örtliche Population“ der beiden Arten vorliege. An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Tötungsverbot jedoch individuenbezogen zu verstehen ist.“

[…]
Die Entscheidung liegt derzeit noch nicht im Volltext vor, so dass die Argumentationslinie des VG Gießen im Einzelnen abzuwarten bleibt. Die weitere Entwicklung wird von uns beobachtet.

Schließlich hat das VG Gießen die Berufung zum VGH Kassel wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Da es sich vorliegend um die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben handelt, müsste die streitige Frage für eine abschließende Klärung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt werden. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik hat der EuGH in den bisherigen Entscheidungen vermieden. Daraus würde allerdings lediglich die Bindung des vorlegenden Gerichts und aller folgenden Instanzen an die Entscheidung des EuGH folgen.

Politische Bewertung

Das weitere Voranbringen des Ausbaus der Windenergie ist bereits jetzt aufgrund diverser rechtlicher Unsicherheiten erheblich ins Stocken geraten. Der vorliegenden Problematik könnte und sollte der europäische Gesetzgeber Abhilfe schaffen. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, will mit ihrem „European Green Deal“ die EU bis 2050 klimaneutral machen. Vor diesem Hintergrund ist ein Hinwirken ihrerseits auf eine klarstellende Anpassung des Art. 9 Abs. 1 a) der Vogelschutzrichtlinie an den Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 c) der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie dringend geboten. Dies würde ohne die Investition hoher Summen Rechtssicherheit bei der Umsetzung dieser Richtlinie-Vorgaben in das nationale Recht schaffen.

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Hintergrundwissen

EU-Vogelschutzrichtlinie

Art. 9 Abs. 1 a) der Vogelschutzrichtlinie

(1)  Die Mitgliedstaaten können, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt, aus den nachstehenden Gründen von den Artikeln 5 bis 8 abweichen:

  • (a)
    • im Interesse der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit,
    • im Interesse der Sicherheit der Luftfahrt,
    • zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern,
    • zum Schutz
    • der Pflanzen- und Tierwelt;

Quelle:

Art. 16 Abs. 1 c) der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

(1)  Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, daß die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:
[…]
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

Quelle:

VG Gießen mit Entscheidung vom 22.01.2020 (Az.: 1 K 6019/18.Gl)

Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG

Ausnahme im besonderen Artenschutzrecht gemäß § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 BNatSchG

(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen 1. zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,

„European Green Deal“