Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Irland: A-bewertete Messungen obsolet

Windkraftprojekt in Cork darf nicht realisiert werden, weil Windenergierichtlinien von 2006 nicht mehr ausreichen und vor Gericht nicht berücksichtigt wurden

Heute erhielten wir die folgende Nachricht von Agnes, einer Mitstreiterin aus Irland:

„Wir hatten diese Woche eine sehr wichtige Entscheidung von unserem Obersten Gerichtshof. Ein Windpark in Cork wurde mit der Begründung verhindert, dass die irischen Windenergierichtlinien aus dem Jahr 2006 nicht mehr ausreichen, um den tatsächlichen Lärm (Anm. der Red.: ohne Bewertungsfilter) der Windkraftanlagen zu messen, und dass sich das Wissen um die spezifischen Eigenschaften des Windkraftanlagenlärms im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat, so dass die dBA-bewertete Messung nicht die tatsächliche Geräuschentwicklung des gesamten Windparks darstellt.
Hier finden Sie einen Link zum Urteil des Gerichtshofs:

Der Anwalt der Kläger war Joe Noonan aus Cork, der vor einigen Jahren auch für die 7 Cork-Familien tätig war und Enercon, ein Windkraftunternehmen aus Deutschland, erfolgreich wegen Lärmbelästigung verklagte.

Zufällig wurde entdeckt, dass die Regierung für die Öffentlichkeitsbeteiligung erst in dieser Woche einen neuen Entwurf der Windenergierichtlinie veröffentlichte. Wir können bis zum 13. Januar Stellung nehmen. Sehr zynischer Versuch der Regierung, diese in der Weihnachtszeit zu veröffentlichen!“
AD
Mit Dank für diese wichtige Information an Agnes!

Wir berichteten auch zu diesem Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung von sieben betroffenen und erkrankten Familien in Cork County, die auf Betreiben der Beklagten ENERCON aus Aurich mit einem Vergleich in Millionenhöhe endete. Offenbar war es für die Windindustrie weniger schmerzhaft, die 7 Familien in Höhe von über 20 Miliionen Euro zu entschädigen, als ein Urteil von höchster Instanz zu kassieren.

Nach diesem Urteil reagierte ENERCON mit dieser Suche….
Und in Deutschland gab es die ersten Urteile mit „Rauskauf „und hoher Entschädigungszahlung, um auch hier weitere Urteile höherer Instanzen und unsere Verfassungsbeschwerde zu verhindern.

Es geht um die Klage Supreme Court Appeal No.: 167/18

Balz and Heubach versus An Bord Pleanála & Ors

Die Beschwerdeführer, KLAUS BALZ AND HANNA HEUBACH, seit 1992 in Cork ansässig und Betreiber eines Familienbetriebes für Gartenbau, vertreten vom Fachanwalt für Umweltrecht aus Cork, JOE NOONAN, reichten ihre Beschwerde bei Gericht am 29. Juni 2016 ein. In diesem Zusammenhang wurde auch die Beilagenbroschüre eingereicht mit Begründungsschreiben zu den Einwänden der Rechtsmittelführer, die 35 Anlagen enthält. 19 der Anlagen bezogen sich auf Windkraftlärm, Messungsstandards und Schallbelastungen.
Beklagte ist die Planungsbehörde (AN BORD PLEANÁLA), Beigeladene sind CORK COUNTY COUNCIL und der Projektierer CLEANRATH WINDFARMS LTD.

Lesen Sie folgenden Sätze im Urteil von O’Donnell J., welches am 12. Dezember 2019 erging…

Der Antrag der Einwender, dass diese ETSU-Publikation veraltet und nicht zweckdienlich ist, ist keine relevante Planungsüberlegung. Die Richtlinien von 2006 sind und bleiben in Kraft.
[Anm. d. Red.: ETSU = Energy Technology Support Unit]

Die Genehmigungsbehörde zur vorgeschlagenen Überarbeitung der Leitlinien für die Entwicklung der Windenergie 2006:

Eine gezielte Überprüfung in Bezug auf Nachbarschaftslärm und Schattenschlag (Dezember 2013) wurde noch nicht verabschiedet.
Author

… so hören wir den O-Ton auch beim Chef des Fachgebiets I 2.4 Lärmminderung bei Anlagen und Produkten, Lärmwirkungen, des Umweltbundesamtes, UBA, Thomas Myck, z.B. in der Dokumentation „Unerhörter Lärm“ von Birgit Hermes zum Thema A-Bewertung und Glättung der Messungen des WEA-Schalls, aber auch die entsprechend angepassten Aussagen sämtlicher Vertreter der verschiedenen Verwaltungen, wie Kreis- und Landesämter in der Republik.

Dass die Schlussfolgerungen bei Gericht in anderen Ländern jedoch völlig anders ausfallen können, erleben wir ganz aktuell wieder einmal in Irland, wo sich die Justiz offensichtlich unabhängig von politischer Weisung an Sachargumenten orientiert, womit sie mit Urteilen wie diesem schließlich dem Wohl der Betroffenen gerecht wird, anstatt dem der Profiteure.

Mit unserer Klage, initiiert vom Regionalverband Taunus e.V. in 2016, stehen wir zur Zeit, aufgrund der anhaltenden Zeitverzögerung durch die Regierung der Bundesrepublik und ihrer juristischen Vertretung, immer noch vorm VG Köln und warten auf die mündliche Verhandlung.
Erfreulicherweise erleben wir, dank der Fortschritte in unseren Nachbarländern in Europa und weltweit, momentan anhaltend positive Entwicklungen auf juristischer Ebene, sowie auch in Deuschland auf medizinischer Ebene, was weitere Studien und Aufklärungsarbeit durch Betroffene und an WEA-Schall Erkrankte angeht.

Signalwirkung und Unterstützung

Auch dieses Urteil aus Irland, welches auf einer Klage mit gleichen Grundlagen basiert hat, wie die in Deutschland anhängigen Beschwerden, für uns Signalwirkung.
So geht es dort wie hier um Normenkontrolle, Festhalten an veralteter TA-Lärm und verschiedener Industrienormen wie z.B. die DIN 45680, die trotz Überarbeitung selbiger seit etwa 2007 bis heute nicht abgeschlossen sind.

Kommissionsvertreter der DIN aus 16 Landesumweltämtern der Bundesländer verhindern die Verabschiedung der überarbeiteten und dem Stand der Technik angepassten Normen, indem sie wider jegliche Vernunft die Abstimmungen dominieren und dafür sorgen, dass die lobbyfreundlichen veralteten Richtlinien bestehen bleiben.
Die Stimmen der wenigen unabhängigen Fachleute und unsere Einwendungen aus 2017 zur DIN 45680 kommen somit nicht zum Tragen, obwohl wir im Vergleich zu Irland hier unter einer noch intensiveren Nutzung von WEA leiden, mit wesentlich höheren Anlagen und einem stärkeren Output wegen größerer Leistung und trotz einer feinmaschigeren  Massenbebauung, die weltweit ihresgleichen sucht.

Für einen Einblick in die Ausführungen zum Urteil aus Irland habe ich zwei Punkte übersetzt, in denen besonders viele inhaltliche Übereinstimmungen mit Voraussetzungen, Bedingungen, Argumentations- und Verhaltensweisen in unserem Land zu finden sind. Das Original finden Sie unten. Nutzen Sie die Informationen für Ihre Beschwerden bei Ämtern und Behörden, für Einwendungen zu Flächenausweisungen, sowie für Ihre juristischen Auseinandersetzungen!
JR

Punkt 14

Das Schreiben bezog sich auch auf eine Entscheidung des Planers des Senior Cork County Council über einen Windpark in Carrigareirk vom 22. Februar 2016, in der Folgendes festgestellt wurde:

„Die bestehenden Windpark-Richtlinien von 2006 sind angesichts der Veränderungen in der Windkraftanlagenentwicklung in den letzten zehn Jahren nicht sachgerecht:
Die 500-m-Faustregel zum Abstand und die Richtlinie zur vollständigen Abstandsregelung sind eindeutig nicht für Turbinen mit einer Höhe von 140 m und einer durchschnittlichen überstrichenen Rotorfläche von 10.300 Quadratmetern geeignet. Ich stimme auch nicht der Ansicht zu, dass es normale Planungspraxis sein sollte, zu akzeptieren, dass Anwohner Schattenschlag bis zu 30 Minuten pro Tag aushalten müssen“.

Es wurde geltend gemacht, dass die Genehmigungsbehörde keine zuverlässigen aktuellen Belege habe, die es ihr ermöglichen würden, die Wohngebiete vor übermäßiger Belastung durch Lärm und Schattenschlag zu schützen und dass das Amt die Genehmigung dieses Antrags in Bezug auf Lärm, Schattenschlag und Abstand gemäß den Richtlinien von 2006 nicht erteilen könne.
Der Brief beanstandete als grundlegend fehlerhaft die von der Behörde üblicherweise auferlegten Schalllimits, die nur den Schall, gemessen mit dem dB (A) -gewichteten Filter berücksichtigt. Auch hier stützte sich das Vertrauen auf das Papier von Herrn Bowdler. [Anm. d. Red.: Herr Bowdler ist Sachverständiger für Akustik]

Es wurde auch darauf hingewiesen, dass sich die internationale Planungs- und Regulierungspraxis bereits weiterentwickelt hat, und zwar in Deutschland, wo einige der führenden Windkraftanlagenhersteller beheimatet sind.
Bayern hat einen Mindestabstand von 10-facher Höhe [Anm. d. Red.: 10xH-Regelung] bis zur Rotorspitze festgelegt für große industrielle Windenergieanlagen und vor einiger Zeit  hatte Polen einen Abstand von zwei Kilometern beschlossen.
Die bayerische Politik würde [Anm. d. Red.: im Fall der geplanten Anlagenhöhen dieser irischen Klage] einen Abstand von 1.500 Metern zu den Häusern der Anwohner bedeuten.
In diesem Schreiben wurden eine Reihe weiterer Punkte zum Thema öffentliche Gesundheit und Sicherheit, öffentliche Anhörung, Politik, Flächenplanung und der Cork-Entwicklungsplan angesprochen.

Es sollte gesagt werden, dass das Dokument, dem im Zuge der Begründung die meiste Bedeutung zugemessen wurde, der Artikel von Herrn Bowdler vom Juli 2005 war, aus der Zeit vor der Verabschiedung der Schallrichtlinien. Die Rechtsmittelführerinnen verwiesen jedoch auch auf Dokumente aus den Jahren 2012 und 2014.

Punkt 25

Es folgte ein spezifischer Klagegrund, dessen Aufzeichnung meines Erachtens nützlich ist – wörtlich:

 „a) Als der Genehmigungsbehörde mitgeteilt wurde, dass die Leitlinien von 2006 angewendet werden könnten, stellte der Inspektor fest, ohne jegliche Bezugnahme auf die von den Antragstellern vorgelegten ursprünglichen Forschungsergebnisse, Berichte, Nachweise und Unterlagen, sowie die Einwände der Antragsteller gegen die Windenergie-Leitlinien von 2006 und die ETSU-Publikation, auf der sie basierten und veraltet und nicht mehr zweckmäßig seien, „..irrelevant für die Planungsüberlegungen sind. Die Richtlinien von 2006 sind und bleiben in Kraft.“ Die Genehmigungsbehörde übernahm diese Schlussfolgerung in ihren Inspektorenbericht“.

  • Diese Schlussfolgerung stellte einen grundlegenden Rechtsfehler dar.
  • Die Richtlinien von 2006 bleiben in Kraft, und die Behörde war lediglich gesetzlich verpflichtet, diese Richtlinien zu berücksichtigen.
  • Die Genehmigungsbehörde war grundsätzlich berechtigt, aber nicht verpflichtet, diese Richtlinien anzuwenden.
  • Dementsprechend wird geltend gemacht, dass die Leitlinien nicht angewendet werden sollten und die Gründe und Beweise, auf die sich diese Ausführungen stützten, waren
    • Relevante Planungsüberlegungen
    • Relevante UVP-Überlegungen [Anm. d. Red.: UVP = Umweltverträglichkeitsprüfung]
  • Dementsprechend waren weder die Behörde noch der Inspektor berechtigt, Kritik an diesen Richtlinien als irrelevant abzuweisen oder zu ignorieren (wie dies der Inspektor ausdrücklich getan hat, indem er sie als irrelevant ansah).
    Ich verstehe, dass die Kammer berechtigt war, sich gegen solche Kritik zu entscheiden, dass sie diese aber nicht zu ignorieren hatte – wie sie es tat, und es damit versäumt hat relevante Überlegungen zu berücksichten.“

Übersetzung Jutta Reichardt

Quelle: https://beta.courts.ie/view/judgments/f0d807dc-b302-47c1-b2f6-8a93e73c4c1b/5f9a02cc-c74a-43b1-b611-4bfc6b0a3afc/2019_IESC_90_1.pdf/pdf

Ein Kommentar

  1. „Sehr zynischer Versuch der Regierung, diese [Öffentlichkeitsbeteiligung] in der Weihnachtszeit zu veröffentlichen!”, schreibt Agnes. Das geschieht offensichtlich europaweit systematisch. Jörg Rehmann dokumentiert in „End of Landschaft“, wie wichtige Entscheidungen zu solchen Zeitpunkten getroffen wurden. Unser Planungsverband tagt am 18. Dezember. Ich bitte daher darum, auf dieser wichtigen Seite auf unsere Demo zu diesem Anlass hinzuweisen: https://sternkekandidatkreistagvg.wordpress.com/2019/12/10/18-12-mahnwache-zur-regionalplanung-vorpommern/

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