von windwahn.de übertragen – dort veröffentlicht am 21.11.2011
BZ-INTERVIEW mit dem Herrischrieder Physikochemiker Martin Lauffer über Infraschall und Mindestabstände von Windrädern zu Wohnsiedlungen
Der Physikochemiker Martin Lauffer aus Herrischried hat den Infraschall von Windrädern untersucht. Foto: Wolfgang Adam
HERRISCHRIED. Größere Mindestabstände zwischen Wohnsiedlungen und Windkraftanlagen fordern Wissenschaftler weltweit, um die Gesundheit der Menschen zu schützen. Die gleichen Ziele verfolgt der Herrischrieder Physikochemiker Martin Lauffer von der Bürgerinitiative gegen Windkraft im Hotzenwald. Angesichts des vom Land Baden-Württemberg forcierten Windkraftausbaus verweist er im Gespräch mit BZ-Mitarbeiter Wolfgang Adam auf seine Untersuchungen des Infraschalls.
BZ: Sie betrachten den Infraschall von Windrädern als Gesundheitsgefährdung, wenn zwischen Anlagen und Wohn- oder Arbeitsräumen nicht wenigstens eine Distanz von 2,5 Kilometern besteht. Wie kann das dem Normalbürger erklärt werden ?
Lauffer: Wenn die Windradflügel die Luft durchschneiden, entsteht zusammen mit dem hörbaren Schall ein langwelliger Schall mit nicht hörbarer niedriger Frequenz (kleiner als 20 Hertz), der aber über das Gehör in Gehirnzonen gelangt und der auch beim Eindringen in den Körper einen Resonanzeffekt bei inneren Organen erzeugt. Untersuchungen haben ergeben, dass die vom Infraschall ausgelösten Schwingungen zu Veränderungen von Gehirnströmen und biochemischen Prozessen führen, die Krankheitssymptome und allgemeines Unwohlsein oder Unruhe erzeugen können.
BZ: Wo können Bürger, die in Nähe von Windrädern leben oder künftig leben müssen, mehr über solche Untersuchungen erfahren ?
Lauffer: Im Internet sind unter den Begriffen Infraschall, beziehungsweise Infrasound und Windenergie die Berichte von Untersuchungen unter anderem in Australien, den USA und Europa zu finden. Auch das Bundesumweltamt und das Robert Koch Institut haben Forschungsergebnisse veröffentlicht. Zu den aktuellen, kritischen Infraschall-Beiträgen zählt der Bericht der australischen „Waubra“-Stiftung, in dem die Notwendigkeit eines Mindestabstandes zu Windrädern von bis zu zehn Kilometern gefordert wird. In den USA und in Großbritannien stehen derzeit drei Kilometer zur Diskussion. Auch Forschungen und Überlegungen in der Schweiz sind aufschlussreich.
BZ: Sie haben zusammen mit dem Juristen Professor Dr. Erwin Quambusch schon 2007 Analysen und Kommentare zu Infraschallauswirkungen veröffentlicht. Sie stützten sich auch auf eigene Befragungen von Bürgern im windparkreichen Niedersachsen. Was waren die bemerkenswertesten Ergebnisse?
Lauffer:Dass hundert Prozent einer 24 Personen umfassenden Befragungsgruppe von einer ernsten Belastung ihres Gesundheitszustandes sprachen. Sehr häufig wurden Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Merkfähigkeitsstörungen, erhöhter Blutdruck und Herz-Kreislaufprobleme angegeben. In einen Fragebogen wurde zusätzlich hinein geschrieben, dass die eigene Lebenssituation als „Folter“ und sogar als „Mord“ empfunden wird.
Die Ergebnisse sind zwar nicht das Resultat einer methodisch zuverlässigen Erhebung, aber sie müssten hinreichend genug Beweggrund für umfangreichere Großbefragungen sein. Die deutsche „Interessengemeinschaft Windland“ setzt sich beispielsweise für europaweite Studien ein. In einem anderen Beitrag zur Infraschallauswirkung fordert der Mediziner Manfred Neiting aus Bad Arolsen eine internationale Befassung mit Belastungen und Mindestabständen. Er sieht genauso wie ich den Staat in der Pflicht, den grundgesetzlich verbrieften Schutz der Unversehrtheit jedes Bürgers auch bei der Installierung der Binnen-Windkraft zu gewährleisten
.BZ: In Ihrer Veröffentlichung erwähnen sie die mangelnde Unterstützung staatlicher Stellen bei der Beurteilung der Infraschallgefahren. Gehen die Politiker und Beamten, die bei der Festlegung von Mindestabständen mitwirken, generell von keiner Gefährdung des Menschen aus ?
Lauffer: Derzeit ignorieren sie zumindest solche Thesen und die damit erhobenen Forderungen. Für ihre Abstandsfestlegungen stützen sie sich seit Jahren auf die Technische Anleitung (TA) Lärm, die bei der Bestimmung von Belastungen nur mit den hörbaren Geräuschquellen arbeitet. Der Infraschall von Windrädern liegt aber im tieffrequenten, vom normalen Mensch nicht mehr hörbaren Bereich. Daraus wird von Behörden ganz einfach auf eine Nichtgefährdung der Anwohner geschlossen. Dies ist aber, wie medizinische Forschungen zeigen, eine nicht mehr tolerierbare Auffassung. Auch wenn der Schall unter der Wahrnehmungsschwelle liegt, werden im Körper Resonanzreaktionen ausgelöst, die je nach der gesundheitlichen Konstitution einer Person ganz unterschiedlich ausfallen können. Ältere oder kranke Menschen und auch Schwangere werden nach unserer Kenntnis stärker belastet als junge Menschen, die sich nicht dauernd in Windparknähe aufhalten. Bei dem Infraschall ist aber gerade die Dauerbelastung am gefährlichsten. Über eine längeren Belastungszeitraum ist mit eigendynamischen Resonanzreaktionen zu rechnen, die der Gesundheit und dem Wohlbefinden ernsthaft schaden können.
BZ: Die Forderung der von Ihnen genannten Wissenschaftler nach mehr Infraschallerforschung geht einher mit der Feststellung, dass der Staat bei nachweisbarer Vernachlässigung seiner Schutzpflicht im Bereich der Windkraftgenehmigungen mit Schadensersatzklagen betroffener Bürger rechnen muss. Warum gehen dann die staatlichen Organe das Risiko einer Verharmlosung überhaupt ein?
Lauffer:Hierfür gibt es wahrscheinlich eine einfache Erklärung: Wenn sich die Schädigungsannahmen bestätigen, könnte eine Lawine von Schadensersatzansprüchen entstehen, und es müssten dann auch alle zu nah an Wohngebieten errichteten Windräder abgebaut oder außer Betrieb genommen werden. Zudem würde es für die Windenergiebranche Rückschläge bei den Planungen eines massiven Binnenwindkraftausbaus geben. Wenn ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern oder mehr festgesetzt werden muss, verringert sich die Zahl der potenziellen Standorte erheblich. Für die Höhen im Hotzenwald könnten dann wahrscheinlich gar keine Anlagen mehr geplant werden.
BZ: Das hört sich so an, als ob unterstellt wird, dass man aus rein wirtschaftlichen Erwägungen und Zwängen der Schutzpflicht gegenüber der Bevölkerung nicht nachkommen will oder kann. Gibt es nicht Gründe, wie beispielsweise das Festhalten an einem die Binnenwindkraft stärker einbeziehenden Energiemix-Konzept, um die potenziell gefährlicheren Kernkraftwerke abzuschalten?
Lauffer: Eine Energiewende kann auch ohne den massiven Ausbau der Wind- und auch Solarenergie herbeigeführt werden. Was hierfür jedoch dringend gebraucht wird, ist eine gescheitere Energiepolitik, die alle möglichen Alternativen zur Atomkraft und zu den CO2– ausstoßenden Kraftwerken einbezieht. Ohne umfassende Forschung und ohne Bereitstellung massiver Geldmittel wird eine solche neue Energiepolitik jedoch nicht zu realisieren sein. Zumindest sollten ähnliche Summen in Forschungsaufgaben investiert werden, wie sie früher zur Förderung der Kernenergie ausgegeben wurden. Bei einer besser fundierten Energiepolitik könnte sich beispielsweise heraus stellen, dass einige aktuelle Windstromspeicherungskonzepte ökonomisch und technisch gar keinen Sinn machen.
Den Artikel der Badischen Zeitung können Sie hier nachlesen: http://www.badische-zeitung.de/herrischried/dauerbelastung-ist-am-gefaehrlichsten
Lesen Sie hierzu auch den Artikel „Hamburger Studie: Viele kennen ihre Gesundheitsrisiken nicht„, Hamburger Abendblatt vom 28.09.2011