Lobbyismus, Ideologie oder Dilettantismus?

Ignoranz der Politik im Umgang mit Artikel 20a des Grundgesetzes

Mit wichtigem Interview zu Art. 20a GG von windwahn.com mit RA Norbert Große Hündfeld und Prof. Dr. Werner Mathys

Prof. Dr. Dietrich Murswiek, emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg:
„Solange es eine solche konkrete Folgenabschätzung und Folgenabwägung nicht gibt, verstößt eine klimapolitische Entscheidung der Bundesregierung, welche die Weichen in Richtung auf mindestens eine Verdoppelung der Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland stellt, gegen Artikel 20a Grundgesetz.”

Wie angekündigt greifen wir das Thema „Klimaschutz gegen Umweltschutzvon Prof. Murswiekauf, erschienen als Einspruch in der FAZ – wir berichteten.

Es besteht kein Zweifel, dass der Ausbau der Windenergie zu einer erheblichen Schädigung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere führt. Windkraftindustrie und Naturschutz sind nicht vereinbar. Der „Klimawandel“ ist eindeutig nicht der primäre Treiber für den Verlust der Biodiversität, sondern Änderungen der Landnutzung wie z.B. die Trockenlegung der Moore, Abholzung der Wälder und Umbruch des Grünlandes, Landwirtschaft und Wachstum,  insbesondere auch als Effekt des EEG.

Führt denn der Ausbau der Erneuerbaren Energien, speziell der Windkraft, zu einem effektiven Rückgang des globalen CO2-Gehaltes und ist dadurch ein Einfluss auf das Weltklima zu erwarten?
Die Quintessenz bei Wertung aller Einflussgrößen ist ernüchternd: Windenergieanlagen führen keineswegs zwangsläufig zu einer Reduktion der CO2-Emissionen. Als Resultat muss festgehalten werden, dass trotz Einsatz enormer finanzieller Mittel und einer schon weit fortgeschrittenen Zerstörung deutscher Kultur- und Naturlandschaften keine wirksame Menge an CO2 eingespart wurde und die Klimaschutzwirkung gleich NULL ist.

Der Ausbau der Windenergie verstößt somit in eklatanter Weise nicht nur gegen alle Regeln der Vernunft, sondern auch gegen den als Staatsziel definierten Art. 20a des Grundgesetzes „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Fachlich betrachtet

Interview mit RA Norbert Große Hündfeld und Prof. Werner Mathys

„Wir denken, dass eine Gesellschaft, in der Politiker auf zentral bedeutsame Fragen schweigen, ein massives Problem mit rechtsstaatlich bedenklichen Folgen hat.“

RA Norbert Große Hündfeld

windwahn:
Herr Prof.Mathys, Sie und Rechtsanwalt Norbert Große Hündfeld warten auf Antworten auf Offene Briefe, die Sie im Namen von GEGENWIND/VERNUNFTKRAFT an die Mitglieder des Klimakabinetts und mehrmals an die SPD Bundesjustizministerin, Frau Lambrecht, zum Thema Verfassungsmäßigkeit der Windenergie in Hinblick auf Art 20a GG gerichtet haben. Was wollen sie wissen? Was fordern Sie?

Prof. Mathys:
Wir fordern eine Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit der Windenergie. Die heutige Praxis bei Entscheidungen, auch bei Verwaltungsgerichten, sieht doch so aus, dass der (vermuteten) Klima schützenden Wirkung der Windkraft bei Entscheidungen die oberste Priorität eingeräumt wird und dies sozusagen als Totschlagargument genutzt wird: Wenn wir keine Windräder bauen, dann wird in 30 Jahren unsere Natur völlig zerstört sein.

Schon im Grundsatz wäre unserer Meinung nach zu hinterfragen, ob eine aus Modellen/Projektionen mit großen Unsicherheiten abgeleitete/vermutete Schädigung der Natur auf globaler Ebene einer nachweisbar stattgefundenen und gut quantifizierbaren Schädigung der Lebensgrundlagen und der Natur in Deutschland in der Gewichtung übergeordnet werden und als Rechtfertigung für alle Eingriffe dienen darf.

Wir fragen die für den Schutz der Umwelt Gemäß Artikel 20a GG verantwortliche Politiker: Darf der Staat gesetzliche Regelungen beschließen, die eine Forcierung des Anlagenbaus der Windindustrie bezwecken? Hat eine sorgfältige, Ergebnis offene Abwägung der negativen Wirkungen mit den positiven Effekten der Windkraftnutzung stattgefunden? Ist den Politikern überhaupt bewusst, dass sie an das Staatsziel Art. 20a GG gebunden sind?

Wir fordern eine öffentliche Debatte über die Frage, ob gesetzliche Regelungen für den Bau von immer mehr Windindustrieanlagen mit Blick auf die staatliche Schutzverpflichtung in Art. 2 a GG tatsächlich verfassungsgemäß sein können.

 windwahn:
Glauben Sie ernsthaft, dass Regierungspolitiker Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ihrer Zielsetzung haben, das Klima mit dem Bau von immer mehr WKA zu schützen?

 RA Große Hündfeld:
Ja, wir sind überzeugt, dass Frau Lambrecht weiß, dass unsere Verfassungsfrage aus Artikel 20a GG mit „Nein“ beantwortet werden muss: der Staat darf nicht zerstören, was er schützen muss.
Wir halten es für undenkbar, dass die Justizministerin dieses Wissen ihren Kabinettskollegen nicht mitgeteilt hat. Alle Politiker schweigen dazu, was Ihnen seit Wochen klar sein müsste: Die Wendegesetzgebung verstößt seit fast 20 Jahren gegen das Schutzgebot in Artikel 20a GG.

windwahn:
Was berechtigt Sie zu dem Vorwurf, dass uns die Regierung, die in diesen Tagen ihren Klimakurs öffentlich verkündet hat, das Prüfungsergebnis vorenthält?

Prof. Mathys:
Der Umstand, dass Frau Ministerin Lambrecht sich uns gegenüber nicht dazu äußert, was ihr Ministerium bei der pflichtgemäßen Prüfung der Vereinbarkeit der Windenergienutzung mit der Verfassung herausgefunden hat.

Wie man unter dem Stichwort Grußadresse bei www.Gegenwind-Greven.de nachlesen kann, muss jeder Rechtsetzungsentwurf des Bundes von der Justizministerin auf seine Vereinbarkeit mit Vorschriften des Grundgesetzes geprüft werden. Auf diese Pflicht ist Frau Lambrecht am 25.Juni 2019 in unserer Grußadresse als designierte Justizministerin und Rechtsexpertin der SPD erinnert worden. Wir haben sie und Ihre Mitarbeiter mehrfach um Beantwortung der Verfassungsfrage auf der Grundlage ihres Prüfungsergebnisses gebeten. Der Bundesvorstand ihrer Partei und etwas später alle Mitglieder des Klimakabinetts sind informiert worden. Sie alle haben uns nie geantwortet.

windwahn:
Wenn das Bundesministerium für Justiz überzeugende Gründe für eine Vereinbarkeit der Windkraft gefunden hätte – so glauben Sie – wären diese längst publik geworden?

RA Große Hündfeld:
Wir fürchten, dass man eine öffentliche Debatte vermeiden will. Natürlich haben wir auch den BWE über unsere Thesen informiert. Auf der Website unserer Freunde vom Thüringischen Landesverband für Energie mit Vernunft kann man nachlesen, wie Vertreter der Windindustrie auf meinen Vorschlag reagiert haben, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um Antwort zu erhalten. Man verweigert sich.

windwahn:
Die Verfassungsmäßigkeit der Windkraft wurde doch in den letzten Tagen durch den renommierten Verfassungsexperten Prof. Dr. Dietrich Murswiek aus Freiburg im FAZ -Einspruch („Klimaschutz gegen Umweltschutz“, 13.9.2019) sehr eindrucksvoll in Frage gestellt: Windkrafträder in Deutschland nützen dem Weltklima bestenfalls wenig, tatsächlich gar nicht. Ihre Schäden für die Umwelt sind hingegen offenkundig. Ein Ausbau der Windenergie, der das nicht berücksichtigt, wäre verfassungswidrig. Wie beurteilen Sie die öffentliche Wirkung dieses Beitrages?

RA Große Hündfeld:
Sie haben vor einigen Tagen den Lesern Ihres Newsletters den Inhalt des Artikels von Prof. Murswiek mit seiner deutlichen Warnung vor der beabsichtigten, klimapolitischen begründeten Ausbauentscheidung der Bundesregierung zur Kenntnis gebracht. Warum nur Sie und Vernunftkraft und einige BIs? Warum informieren nicht die Medien ihre Leser, Hörer und Zuschauer über die Tatsache, dass ein namhafter deutscher Staatsrechtslehrer kurz vor der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts die Politik vor einem groben Verfassungsverstoß gewarnt hat, wenn das Gremium beschließen sollte, die geplante Ausbaumenge deutlich zu erhöhen?

Niemand von den Politikern, die öffentlich verkündet haben, dass künftig erheblich mehr Windindustrieanlagen an Land gebaut werden müssen, meldet sich zu Wort und erklärt uns, wie das verfassungsgemäß verwirklicht werden soll; kein Politiker widerspricht der Aussage von Herrn Prof. Murswiek, aber auch kein Redakteur verlangt der Politik eine Antwort auf die Verfassungsfrage ab.

In dem vom Klimakabinett verabschiedeten Eckpunktepapier finden Sie zu der Frage, wie ein als notwendig bezeichneter forcierter Anlagenbau verfassungskonform bewerkstelligt werden kann, keine Aussage.

windwahn:
Hat es denn vor der ersten Entscheidung zugunsten der Windenergie eine Folgenabwägung gegeben, wie Herr Prof. Murswiek sie fordert? Sind je für die Technik der Windenergie Untersuchungen zur Beurteilung der schädlichen und nützlichen Folgewirkungen vorgenommen worden?

Prof. Mathys:
Offensichtlich Nein. Solche Untersuchungen sind uns nicht bekannt.

Dem Bundestag steht ein eigenes Büro für Technikfolgenabschätzung zur Verfügung („TAB“). Der Leiter dieses Büros hat uns bestätigt, dass der Wendegesetzgeber vor seiner Entscheidung keine Technikfolgenabschätzung bezüglich der Auswirkungen der Windenergie in Auftrag gegeben hat.

windwahn:
Folgt daraus, dass schon seit Jahren beim Ausbau der Windenergie ein „grober Verfassungsverstoß“ erfolgt?

RA Große Hündfeld:
Nach unserer Auffassung: Ja! Wir haben das festgestellt als wir recherchiert haben, wie die BauGB -Novelle vom 30.07.1996 zustande gekommen ist. Der Gesetzgeber hat damals auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts reagiert. Danach gehörten WKA nicht zu den nach §35 Absatz 1 BauGB privilegierten Bauvorhaben. Der Anlagenbau war nur zulässig, wenn der Bauantrag auf Festsetzungen eines Bebauungsplans gestützt werden konnte. Die damalige Regierung hat diese „Hürde“, das Schutzgesetz, das die geltende Fassung des §35 Abs. 1 wegen ihrer Verbotswirkung für nichtprivilegierte „sonstige“ Vorhaben war, in ein Berechtigungsgesetz zur Verschlechterung des schutzbedürftigen Zustandes verwandelt und dass ohne Folgenabwägung.

windwahn:
Verstehe ich Sie richtig? Sie halten die Privilegierung der Windkraft in §35 BauGB für nicht wirksam?

RA Große Hündfeld:
Ja! Die mit der Einfügung von Nr. 5 in §35 Absatz 1 versuchte Ausdehnung der Privilegierung auf Anlagen der Wind- oder Wasserenergie ist unserer Auffassung nach nie wirksam geworden. Die Genehmigungsbehörden müssen Baugenehmigungen für WEA nach §35 Absatz 2 BauGB beurteilen und versagen.

Wir wollen das in öffentlicher Debatte ausführlich begründen und versuchen, Kommunen davon zu überzeugen, dass sie aufgrund Artikel 20a GG verpflichtet sind, das nach §36 BauGB erforderliche Einvernehmen zu versagen. Wenn das bisweilen heute schon geschieht, muss das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der kommunalen Entscheidung prüfen. Da auch die Rechtsprechung an Artikel 20a GG gebunden ist, wird das VG prüfen müssen, ob die Gemeinde zu recht auf §35 Absatz 2 abgestellt hat.

Wir halten die Verwaltungsgerichte für verpflichtet, die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

windwahn:
Müssen die Politiker nicht spätesten dann das Ergebnis der Vereinbarkeitsprüfung bekannt geben?

RA Große Hündfeld:
Ja, aber wir wissen, dass auch Bundestagsabgeordnete wissen wollen, was die die Vereinbarkeitsprüfung ergeben hat.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis geklärt ist, ob der Staat mit dem Bau von immer WKA immer mehr Schaden anrichten darf. Der Abwägungsausfall, den der Gesetzgeber zu verantworten hat, ist der alles entscheidende Fehler. Herr Prof. Murswiek hat es überzeugend klar gestellt: der Gesetzgeber muss vor seinen Wendeentscheidungen wissen, ob diese mehr Schaden als Nutzen bewirken werden.

Ist es nicht höchste Zeit, dass der Staat aufhört, ahnungslos mehr und mehr das zu beeinträchtigen, was zu schützen seine Pflicht ist?

windwahn:
Sie kündigen an, dass wir mit Darlegungen von Ihnen rechnen können, die nachzeichnen, wie die Entscheidung für die Technologie der Windkraft zustande gekommen ist und ob es weiter berechtigt ist, der Windenergie als „wichtigste Säule der Energiewende“ zum Erfolg zu verhelfen?

RA Große Hündfeld:
Ja, aber lassen Sie uns auf diese Frage in der dritten Oktoberwoche genauer antworten. Vielleicht können wir uns dann auch mit dem befassen, was die Regierung möglicherweise als Antwort auf die Verfassungsfrage veröffentlich hat. Je früher debattiert wird, umso besser für alle, denen Umweltschutz ein ernsthaftes Anliegen ist. Was wir heute besprochen haben, sollte für den Einstieg in eine Debatte genügen. Wir denken, dass eine Gesellschaft, in der Politiker auf zentral bedeutsame Fragen schweigen, ein massives Problem mit rechtsstaatlich bedenklichen Folgen hat.

Wir bedanken uns bei RA Norbert Große Hündfeld und Prof. Werner Mathys von Gegenwind Greven e.V. für das Interview und den unermüdlichen Einsatz für eine öffentliche Debatte zur Umsetzung des Art. 20a des Grundgesetzes, damit der Satz „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere […]“ endlich die Gestaltungs- und Entscheidungsgremien in der Politik erreicht.
Jutta Reichardt

3 Kommentare

  1. Warum gibt es in Euskirchen noch keine Bürgerinitiative gegen Windkraft?
    Hier wird bald zwischen den Orten Kleinbüllesheim, Dom-Esch und Euskirchen-Weidesheim eine Windfabrik entstehen. Erst mal werden im Herbst 2019 zwei Anlagen errichtet und somit die Artenschutzfrage ganz legal umgangen. Dann sollen insgesamt noch 6-9 Anlagen insgesamt laufen. Die Gesamthöhe einer Anlage liegt bei 150m. Es gab hierzu nie eine große Öffentlichkeit. Die meisten Bürger sind total ahnungslos. Betreiber dieser Windfabrik ist die WKN AG Husum.
    Nachweislich brüten in direkter Nähe Uhus und es gibt diverse Fledermausarten und den Rotmilan, die Feldlerche und viele seltene Singvögel.

  2. Die Frage nach dem Verstoß gegen den Sinn von § 35 BauGB und gegen Art. 20a GG ist Bestandteil meiner Klagen. Auf dem nationalen Instanzenzug der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde mir rechtliches Gehör verweigert. Nun liegen diese und viele weitere Fragen in Form einer Beschwerde seit dem 16.08.2019 der EU-Kommission vor. Es ist möglich, dass das sogenannte Klimakabinett der Einschätzung der Kommission gegenwärtig nicht vorgreifen möchte

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