“Verraten und gekauft” – Oder: “Ist parasitäres Verhalten ansteckend?”

Alsfelder Allgemeine

Am Verwaltungsgericht Gießen anhängige Klagen gegen den Windpark im Stadtwald Grünberg werden zurückgezogen. Der Kläger, Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs knapp 700 Meter von der nördlichsten der drei Windkraftanlagen (WKA) entfernt, hat sich mit dem Investor verglichen. Er erhält dem Vernehmen nach eine fünfstellige Summe als Entschädigung.
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Meinung

Nur Verlierer

Die Trianel GmbH, Bauherr der drei Windräder im Grünberger Forst, hat sich außergerichtlich mit dem klagenden Landwirt geeinigt. Die Klagen gegen die drei Anlagen sind damit vom Tisch. Sieht auf den ersten Blick nach einem gütlichen Ende aus. Ist es aber nicht.

Denn die Geschichte kennt – wenn man auch moralische Maßstäbe anlegt – nur Verlierer. Die Familien, deren Hof nur rund 700 Meter vom ersten Windrad entfernt liegt, ist von den Anlagen stark betroffen (optisch bedrängende Wirkung). Sie sahen keine Chance mehr für einen Sieg vor Gericht und werten die Zahlung von Trianel nun als eine Art Entschädigung. Gleichwohl waren die Familien Teil einer Gruppe, die sich gemeinsam zur Klage entschlossen hatte – und sie trugen kein finanzielles Risiko. Unterstützt und fachlich vorbereitet wurde die Eingabe von Mitgliedern der Bürgerinitiative Weickartshain und Bewohnern des Ziegelberges in der Kernstadt. Sie fühlen sich nun von den beiden Familien hintergangen. Bei den Gegnern des Projekts herrscht Rat- und Sprachlosigkeit.

Was die Moral betrifft, ist Trianel ein echt großer Verlierer. Das Unternehmen hat eine – gemessen an den Kosten des Projekts – lächerliche Summe gezahlt, um sich die Klagen vom Hals zu schaffen. Damit bleibt eine Frage (für immer?) unbeantwortet: Warum zahlt Trianel Geld für etwas, was man doch – angeblich – vor Gericht ohnehin bekommen hätte?

Von Burkhard Bräuning

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Die Sache mit dem Rauskauf

Was in Übersee (USA, CA, AUS, NZ), aber auch in UK schon seit Jahren praktiziert wird, ist bei uns noch ein relativ neues “Geschäftsmodell”, zumindest zwischen Betreibern/Projektierern und unmittelbar betroffenen, klagenden Anwohnern: Für hohe Geldbeträge werden Klagen zurückgenommen.

Waren es in den letzten Jahren in Deutschland die großen Natur- und Umweltschutzverbände, die gegen zumeist sechsstellige Summen ihre Klagen gegen Windkraftprojekte zurückzogen (hier, hier und hier), um damit z.B. lukrative Stiftungen einzurichten, kommen im Ausland die sog. “Buy Outs” in erster Linie Anwohnern von WEA zugute, die eine persönliche Klage gegen Schallimmissionen benachbarter WEA und ihre daraus resultierenden Schallerkrankungen lancieren, sowie gegen die Entwertungen ihrer Wohnimmobilie klagen. Die Summen, die Windkraftbetreiber für die Rücknahme von Klagen zu bezahlen bereit sind, um ihre Projekte weiterhin laufen lassen zu können, erhöhen sich von Jahr zu Jahr. Mittlerweile liegt der Kurs für die Rücknahme einer Klage im Millionenbereich, so mußte Enercon eine Summe von 21.000.000 € für den Rauskauf von sieben Familien im irischen Cork berappen, während Enercon in Deutschland noch mit knapp 2.000.000 € für eine durch Infraschall, emittiert durch WEA, erkrankte Klägerin davongekommen ist.

Dass sich schwer erkrankte Anwohner von WEA wie in der BRD oder Familien, die zuhauf ihre Häuser verlassen haben, um nicht noch mehr zu erkranken, von den Verursachern rauskaufen lassen, ist nur allzu verständlich.

Weniger nachvollziehbar dagegen und in der Tat unmoralisch, wie der Autor des o.g. Artikels, Burkhard Bräuning, in seinem Kommentar zutreffend betont, ist die Tatsache, dass eine Bürgerinitiative eine Klage vorbereitet und finanziert und nach der Entscheidung des die BI vertretenden Klägers, die Klage gegen eine Vergleichszahlung zurückzunehmen, sämtliche Nachteile zu tragen hat: Klagemöglichkeit verloren, finanziellen Einsatz nebst monatelanger geistiger Vorbereitungstätigkeit in den Sand gesetzt. Der Kläger als Profiteur seiner Mitstreiter – welch eine Moral?? Parasitäres Verhalten scheint ansteckend zu sein.

Da das “Windkraftgeschäft” zu einer der unmoralischsten aller Wirtschaftszweige gehört, in der getrickst, gelogen und betrogen, abgezockt, gnadenlos vergrämt, getötet, enteignet wird, Anwohner krank gemacht und Kläger verdummt werden, kann man hier keine Moral erwarten.

Die abschließende Frage des Autors, warum der Windkraftprofiteur für eine Klagerücknahme zahle, wenn er doch angeblich den Prozeß sowieso gewonnen und seine WEA hätte betreiben dürfen, ist natürlich berechtigt.

Wir fragen uns allerdings auch, wann sich diese Praxis bei den Gerichten in Deutschland herumspricht?

Spätestens dann, wenn die Richter erkennen, dass die Windkraftnutzung für viele Anwohner und Tiere gesundheitsschädlich bis tödlich ist und vor allem, dass dies der Windkraftbranche seit Jahrzehnten bekannt ist, sollte sich die Klagepraxis ändern. Nicht nur, dass sich Windkraftprofiteure dann nicht mehr mit lächerlichen Almosen für die Schädigung und die Enteignung der Anwohner freikaufen können, sondern einen echten Wertausgleich für die Immobilie, Alterssicherung, Kreditwürdigkeit und des Arbeitsplatzes zahlen müssen, plus einen ideellen für den Verlust des Lebensraumes und Lebenstraumes, der Freunde und Familie etc.

Und unabhängige Richter werden die Frage stellen, wie es angehen kann, dass die Windkraftbranche in Bezug auf Immissionsschutz offenbar von der Pflicht zur Achtung der Vorsorgepflicht befreit ist, dass weder Artikel 2 Absatz 2, noch Artikel 20 a des Grundgesetzes von ihr geachtet werden muss?

Schließlich wird man sich die Frage stellen, wer es zu verantworten hat, dass eine alte ungeeignete Verwaltungsvorschrift wie die TA Lärm mitsamt ihren Industrienormen wie z.B. die DIN 45680 zwar seit mehr als zehn Jahren “überarbeitet” wird, aber seit 1998 immer noch die selben Vorgaben zum Bundesimmissionsschutzgesetz, BImSchG, liefert….

Hoffentlich wird eine solche Götterdämmerung noch rechtzeitig genug durch unabhängige Richter, Ärzte und Wissenschaftler eingeleitet, um den gefährdeten Arten insbesondere der Avifauna und den Bewohnern der ländlichen Räume die Chance für ein Überleben zurückzugeben.

JR

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