windwahn Interview mit Antonia Fehrenbach
Jutta: Was ist dein erster Gedanke zum Thema Windkraft?
Antonia: Alles Schwindel!
Jutta: Hast du persönliche Erfahrungen mit Windkraftanlagen und ihren Immissionen?
Antonia: Ich reagiere sensibel auf Infraschall. In der Nähe von Windkraftanlagen wird mir übel und ich bekomme starke Kopfschmerzen wie bei einer Seekrankheit.
Jutta: Und wenn du dir vorstellst, inmitten von WEA zu leben?
Antonia: Ausgeschlossen! Nicht einmal in ihrer Nähe! Bevor ich ein Hotel oder ein Ferienhaus buche, versichere ich mich, dass in der Nähe keine Windkraftanlagen stehen. Urlaubsorte zu finden, wird zunehmend schwierig.
Jutta: Was hat dich veranlasst, über das Thema Windkraft ein Buch zu machen?
Antonia: Ähnlich wie die Protagonistin in meinem Roman, war auch ich zunächst völlig naiv was Windenergie betrifft. Auch ich musste erst selbst betroffen sein, um mich mit dem Thema auseinanderzusetzen und das Ausmaß an staatlich und gesellschaftlich legitimierter Zerstörung zu begreifen.
Es war mir ein Anliegen, diesen Erfahrungsprozess in den Roman miteinfließen zu lassen. Aber als Schriftstellerin sehe ich mich in der Pflicht, allen Seiten eine Stimme zu geben.
So protestiert auch der Bürgermeister Henning Pahl in seinem Tun gegen einen gesellschaftlichen Zustand, den er als kalt und bedrückend erlebt. Er erfährt sich selbst „in einem Mangel an Empathie und Verständnis, was ihn wiederum veranlasst, sich den herrschenden, mitleidlosen, machtorientierten und zweckrational agierenden Gruppen anzuschließen, sich anzupassen und Unangepasste wie seine Gegenspielerin Karo mit der Kälte auszugrenzen, die ihm selbst widerfahren ist“.
So interpretierte es eine Freundin, nachdem sie das Buch gelesen hatte.
Ich finde, das trifft meine Intention sehr gut. Sie zitierte Adorno, der in der Vernunft und Aufklärung die Schuldigen sah, die die Welt entzaubert und handhabbar gemacht haben, sie zum Objekt zweckrationaler Überlegungen macht und nicht als Gegenüber respektiert.
Literatur oder auch Kunst ist dann der Ort, die Gegenwelt, an dem das Subjekt sich behaupten, seine Stimme erheben kann so wie Karo in ihrem Bericht.
Jutta: Haben wir dann außerhalb der Literatur überhaupt eine Chance, die Welt ein wenig besser zu machen?
Antonia: Für mich ist der Widerstand selbst schon Verbesserung. Er ist immer sinnvoll, auch wenn es aussichtslos scheint. Und solange du kämpfst, hast du nicht verloren.
Jutta: Wie wahr! Deine Antwort bringt mich zu meiner letzten Frage.
Ein großer Teil unseres gemeinsamen Kampfes betrifft den Artenschutz, hier besonders die durch Windkraftwerke gefährdete Avifauna; von Insekten über Fledermäuse bis zu den Vögeln.
Dabei gehört der Rotmilan zu den besonders gefährdeten Arten.
Er ist einer Deiner eindrucksvollen Protagonisten in „Windige Hunde“ und „er“ gewinnt in der Realität erfreulicherweise eine Klage nach der anderen vor den deutschen Verwaltungsgerichten, die unsere Mitstreiter in ganz Deutschland anstrengen.
Was meinst Du, unter welchen Bedingungen hätte der Rotmilan eine Chance zu überleben im Windwahnland?
Antonia: Wenn ich ein Rotmilan wäre, würde ich aus meinem Winterquartier nicht mehr nach Schleswig-Holstein zurückkehren. Vorerst nicht!
Das Tötungsrisiko für mich und meine Nachkommen wäre mir zu hoch und der Mut und die Überzeugung auf Seiten der Verantwortlichen in den zuständigen Landes- und Kreisbehörden sowie der Vorstände der Naturschutzverbände hierzulande zu gering, meine Interessen und die meiner Artgenossen zu vertreten.
Sollten sich im Norden jedoch immer mehr Menschen zusammentun und Zeit, Geld und Geduld aufbringen, um meine Rechte am Leben einzuklagen, käme ich selbstverständlich zurück.
Wie du schon sagst, gibt es Vorbilder in anderen Bundesländern.
Das Ganze scheitert ja in der Regel an den Kosten für eine Klage. Konkret: Eine Chance hätten wir vielleicht mit einem Fonds, der es ermöglichte über einen Rechtstreit einen Präzedenzfall zu schaffen, an den sich weitere Betroffene andocken können.
Wenn Behörden und Verbände versagen, werden dies die Bürger wohl selbst in die Hand nehmen müssen.
Herzlichen Dank für das Interview, liebe Antonia und für Dein Buch.
Es ist nicht nur für Windkraft-Insider interessant und spannend, sondern auch für alle anderen Krimifreunde, die das ländliche Milieu mal nicht in typischer Hochglanzfassung landlustig und heimelig erleben möchten, sondern gnadenlos realistisch mit all seinen Boshaftigkeiten, der Habgier, Wehleidigkeit und Bitternis, aber auch mit seinem Tiefgang, seiner Nähe zur Natur und einer oft verblüffenden Humoristik.
Wir freuen uns auf Deine nächste Lesung im holsteinischen 25582 Looft, Kreis Steinburg, in SH, am Donnerstag den 25.Januar 2018 um 19:30 im Landhaus Looft, Hauptstr. 1, bei freiem Eintritt, zu der alle interessierten Krimifreunde spektakulärer Lesungen herzlich eingeladen sind!
Sich anschließende Gespräche zum Thema sind natürlich ebenfalls willkommen.
Das Interview mit der Autorin Antonia Fehrenbach führte Jutta Reichardt, Red. Windwahn
http://www.antonia-fehrenbach.de/
Informationen und Anmeldung zur Lesung über jutta.reichardt@windwahn.de