Der Lobbyverband BWE wehrt sich
Mit Dank an Rubikone für die Zusammenstellung!
Windenergie: Gutachten-Check belegt eklatante Mängel
Genehmigungen im Stundentakt
Von Thomas Faltin 22. März 2017 – 18:08 Uhr
Es ist schon auffällig, wie viele Freigaben für Windräder noch im Dezember 2016 erteilt worden sind. Eine Prüfung der Sache ist sinnvoll, meint Redakteur Thomas Faltin.
Stuttgart – Es ist verständlich, dass die vielen Vorschriften zum Arten- und Umweltschutz die Windkraftprojektierer nerven: Das kostet viel Zeit und viel Geld. Aber es war von Anfang an Konsens in der Energiewende Baden-Württembergs, dass sie so schonend wie möglich vollzogen wird – Windkraft ja bitte, aber nur dort, wo Mensch, Landschaft, Tiere und Pflanzen nicht über Gebühr in Mitleidenschaft gezogen werden. Das ist ein guter Mittelweg, und diese Vorgabe ist nicht nur hübscher Zierrat für Fensterreden. Das ist in Baden-Württemberg schlicht Gesetz.
Insofern wäre es ein Skandal, wenn sich herausstellen würde, dass Gutachten, die ja meist die Windkraftfirmen in Auftrag geben müssen, schlampig ausgeführt worden sind oder dass Landratsämter aufgrund externen Druckes auf Prüfungen verzichtet hätten. Die hohe Zahl genehmigter Windräder im Dezember 2016 ist jedenfalls auch vor dem Hintergrund neuer Vergütungsregeln auffällig. Da drängt sich der Verdacht auf, dass manche Verfahren schnell noch durchgepeitscht wurden. …
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.windkraft-in-braunsbach-genehmigungen-im-stundentakt.03df74e9-4d39-44ce-a2fd-32c55079f39c.html
Der Skandal ist da und nun?
Beim Windenergiegutachten-Check haben die drei Natur- und Umweltschutzverbände BUND, LNV und NABU eine Stichprobe von acht aus insgesamt 24 Genehmigungsverfahren geprüft, die im November und Dezember 2016 von den Landratsämtern genehmigt und den Verbänden übermittelt worden sind. Im gesamten Jahr 2016 wurden rund 45 Verfahren zur Genehmigung von Windenergieanlagen abgeschlossen. Mit acht Verfahren haben die Verbände in ihrem Gutachten-Check knapp 18 Prozent davon auf den Prüfstand gestellt.
Die Umweltverbände haben nun in einer Stichprobe die Artenschutzgutachten von 8 Windkraftprojekten, welche zum Jahresende genehmigt wurden auf Übereinstimmung mit den LUBW-Richtlinien geprüft. Das Ergebnis war zu erwarten:
„Windenergie- Gutachten-Check belegt eklatante Mängel“
Die Vorgaben der LUBW werden nur zwischen 28% – 56% erfüllt. Lediglich zwei Gutachten erfüllen mehr als die Hälfte der Prüfkriterien, bei zwei Gutachten liegt der Erfüllungsgrad bei unter 30%. Keines der Gutachten entspricht vollumfänglich den Erwartungen und Ansprüchen an „gute Gutachten“.
Und die Naturschutzverbände werden deutlich …
- „Untere Verwaltungsbehörden teilweise nicht unabhängig genug.“
- „Defizite werden von der Umweltverwaltung … bestätigt,“ … Projekte werden aber „dennoch durchgewunken … .“
- „ … reichen die Gutachten nicht aus, um eine fundierte naturschutzfachliche Bewertung möglicher Standorte für Windenergieanlagen vorzunehmen.“
- „ … die Genehmigungsbehörden … prüfen nicht genügend und genehmigen zu lasch.“
- „ Entweder man hat besusst weggeschaut oder wir haben ein Problem mit dem Personal.“
… und fordern die Behörden auf (in Zukunft) Nachbesserungen von den Betreibern einzufordern.
Windenergie: Gutachten-Check belegt eklatante Mängel
- September 2017 |Der Anfangsverdacht der Verbände hat sich bestätigt: Die Gutachten weisen teilweise erhebliche methodische Mängel auf…
„In den LUBW-Richtlinien ist zum Beispiel festgelegt, wie oft und nach welcher Zählmethode Vögel und Fledermäuse erfasst werden müssen. Hält sich der Gutachter oder die Gutachterin ohne plausible Begründung nicht an diese Vorgaben, sind die Daten nicht stichhaltig und das ganze Gutachten ist infrage gestellt“, erklärt der LNV-Landesvorsitzende Gerhard Bronner. Häufig werden auch Beobachtungsdaten Naturschutz-Aktiver vor Ort entgegen der LUBW-Vorgabe nicht ausreichend berücksichtigt. „Die Erhebungen ausgewiesener Gebietskenner*innen zu ignorieren, ist mehr als ein Versäumnis.“
Personalaufstockung in Naturschutzverwaltung notwendig
„Obwohl diese Defizite für geschultes Personal leicht zu erkennen wären, wurden sie von den Genehmigungsbehörden bei den Landratsämtern häufig nicht beanstandet. Entweder hat man bewusst weggeguckt oder wir haben ein Problem beim Personal“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Enssle. Den zuständigen Mitarbeiter*innen in den Landratsämtern fehle häufig die Zeit, um der Fülle an Aufgaben gerecht zu werden. Außerdem habe gerade vor dem Jahreswechsel ein enormer Druck auf ihnen gelastet, noch möglichst viele Verfahren zu genehmigen. Die Betreiberfirmen hatten den Behörden teilweise mit Klagen gedroht, da seit Januar 2017 geänderte Vergütungsregelungen für Windräder gelten….Die Landesvorsitzende des BUND Dahlbender betont, dass die drei Umweltverbände den Ausbau der Windenergie begrüßen.
Was nicht gemacht wurde: Beispiele aus der Gutachten Überprüfung
Kritisch ist in diesem Zusammenhang auch die Wahl der Rastergröße bei der Auswertung der Flugbewegungen mit 150x150m (vgl. Abb. 13, S. 37).
Gerade beim Rotmilan wird von der LUBW eine Rastergröße von 200/250×200/250 m empfohlen. Aufgrund der weiter entfernt in der Ebene liegenden BP und des fehlenden BP im geometrischen Mittelpunkt hätte dies in jedem Fall eingehalten werden müssen, um eine eindeutige Zuordnung der Flugbewegungen aus großer Distanz sicher treffen zu können. Ob jeder Beobachtungspunkt drei Stunden pro Erfassungstag besetzt war, wird aus dem Gutachten nicht ersichtlich. Da die Zahl der Kartierer nicht genannt wird, ist nicht klar, ob innerhalb der drei Stunden vor Ort alle drei Punkte simultan bearbeitet wurden, oder ob innerhalb der Erfassungszeit die Punkte nacheinander besetzt waren. Die Vorgaben sind damit nicht erfüllt.
Die für den Baumfalken durchgeführte RNA wurde in großen Teilen nicht gemäß den Anforderungen des LUBW durchgeführt. So wurden die Kartierungszeiten nicht an die Aktivitätszeiten des Baumfalken angepasst und auch die Zeiträume (11.05.-17.08.) für diese Art deutlich zu kurz gewählt.
Außerdem wurden nur 13 statt der geforderten 18 Begehungen durchgeführt. (vgl.hierzu Stellungnahme S. 14). Aufgrund der Horstnähe zu den geplanten WEA (< 500m) und den beobachteten Flugbewegungen in unmittelbarer WEA-Nähe ist bei dieser windkraftsensiblen Art von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen. Dies wird im Gutachten jedoch nicht diskutiert.
Landschaftselemente werden nur unzureichend berücksichtigt, so ist z.B. ein großer Tümpel im Brutgebiet des Baumfalken keine Erwähnung, …
Das verwendete Kartenmaterial entspricht in seinem Maßstab nicht den Anforderungen.
Außerdem wurden die Kartierungsergebnisse der Fledermausaktivität nicht in Kartenausschnitten dargestellt, sondern nur zusammenfassend in Form eines ausgewerteten Diagramms.
Dadurch ist keine umfassende Beurteilung und Nachvollziehbarkeit der Kartierungsergebnisse möglich.
Die Fledermausaktivität innerhalb des Gebietes kann visuell nicht beurteilt werden. Dies hätte das LRA bemängeln müssen.
Obwohl mit dem Vorkommen windkraftempfindlicher Fledermausarten (vgl. Tab. 14) zu rechnen ist, deren Fortpflanzungsstätten durch den Bau bedroht sein könnten und für welche insgesamt von einem Quartierpotential ausgegangen werden muss (vgl. Ausführungen Gutachten 5.2.1 und 5.2.2), wurde keine Baumhöhlenkartierung durchgeführt.
Dies hätte vom LRA nachgefordert werden müssen und ist ein weitreichender Mangel in der Methodik.
Obwohl mit dem Vorkommen baumhöhlenbewohnender, windkraftempfindlicher Fledermausarten vgl. Tab. 14 zu rechnen ist, für die insgesamt von einem Quartierpotential ausgegangen werden muss (vgl. Ausführungen Gutachten 5.2.1 und 5.2.2), wurden keine Netzfänge durchgeführt. Dies hätte vom LRA nachgefordert werden müssen und ist ein lten sind herauslesen. Hier nur ein Beispiel
„Werden von Fledermäusen genutzte Baumhöhlen bzw. Spaltenquartiere in den unmittelbar betroffenen Flächen festgestellt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass im Umfeld der unmittelbar betroffenen Flächen mit einem Radius von max. 500m mindestens gleichwertige Ausweichquartiere vorhanden sind […].
Für den Nachweis ist die Kartierung der Ausweichquartiere erforderlich.“ (LUBW 2014, 23)
Der Bundesverband für Windenergie wehrt sich
- September 2017
Gutachten-Check ist nicht verallgemeinerbare Stichprobe – BWE sagt Prüfung und Diskussion zu
Der Bundesverband WindEnergie (BWE) sieht in dem heute durch NABU, BUND und LNV in Stuttgart vorgestellten Qualitäts-Check von artenschutzrechtlichen Gutachten in Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen eine nicht verallgemeinerbare Stichprobe. Trotzdem sagt der BWE zu, die Ergebnisse ernsthaft zu prüfen und zu diskutieren.
„Eine Stichprobe aus lediglich acht Genehmigungsverfahren lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Zudem ist der begutachtete Zeitraum natürlich von elementarer Bedeutung. Hier hat man sich auf zwei Monate im Jahr 2016 beschränkt, obwohl erst die Beurteilung eines größeren Zeitraums eine repräsentative Aussage zulässt. Denn wenn wir die drei bis vier Jahre vor Genehmigungserhalt zurückgehen, die normalerweise nötig sind, um die artenschutzrechtlichen Untersuchungen durchzuführen, landen wir in den Jahren 2012 und 2013. Die Hinweise der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) wurden jedoch erst im Sommer 2015 eingeführt. Das bedeutet, dass hier eine untypische Übergangsphase herausgegriffen wird, die alles andere als repräsentativ ist. Fairer wäre es gewesen, sich Genehmigungsverfahren eines längeren Zeitraums anzusehen.
Wir sehen angesichts der durch die Umweltverbände aufgezeigten Schwächen allerdings trotzdem Handlungsbedarf. Für die Branche sind rechtssichere Gutachten essentiell. Natürlich müssen die Vorgaben der LUBW bei der Erstellung von artenschutzrechtlichen Gutachten eingehalten werden. Auch eine einheitliche Anwendung dieser Vorgaben durch alle Gutachter liegt in unserem ureigenen Interesse. Deshalb werden wir uns den Gutachten-Check sehr genau ansehen und im Verband beraten. Im Anschluss wollen wir auch das Gespräch mit NABU, BUND und LNV suchen“, kündigte Christian Oberbeck, Landesvorsitzender Bundesverband WindEnergie, an.